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Hubble captures crisp new image of Jupiter and Europa
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ESAs Juice-Mission: Warum dauert das sooo lange?

19/09/2023 100 views 1 likes
ESA / Space in Member States / Switzerland - Deutsch

In brief

An dem Punkt, an dem sich die Umlaufbahnen von Erde und Jupiter am meisten annähern, sind die beiden Planeten dennoch fast 600 Millionen Kilometer voneinander entfernt. Während dieser Artikel geschrieben wurde, also fünf Monate nach dem Start, hat die Juice-Raumsonde bereits 370 Millionen Kilometer zurückgelegt, jedoch hat sie in dieser Zeit erst fünf Prozent der Strecke geschafft. Warum also dauert das sooo lange?

Die Antwort hängt von mehreren Faktoren ab, die den Expert*innen für Flugdynamik der ESA-Missionskontrolle gut bekannt sind. Sie reichen von der Menge des verwendeten Treibstoffs über die Leistung der Rakete und die Masse des Raumfahrzeugs bis hin zur Geometrie der Planeten unseres Sonnensystems.

Auf dieser Grundlage entwerfen die Expert*innen für Flugdynamik der ESA eine Route. Die Welt der Raumflugmechanik ist keine einfache, jedoch kann man mit ein wenig Geduld, guter Planung und relativ wenig Treibstoff eine Menge Wissenschaft betreiben.

In-depth

Gerade Linien im Weltraum? Massive Energieverschwendung.

Durch den Weltraum reisen
Durch den Weltraum reisen

Verfolgt man die Bahnen von Planeten, Monden, Sternen und Galaxien stellt man fest, dass sie sich immer um ein anderes Objekt bewegen. Wenn eine Mission startet, geschieht das nicht von einer ruhigen, stationären Erde aus, sondern von einem Planeten, der mit etwa 30 Kilometern pro Sekunde um die Sonne rast.

Ein Raumfahrzeug, das von der Erde aus gestartet wird, verfügt also bereits über eine Menge so genannter „Bahnenergie“ – die einzige Einheit, die bei der Bestimmung der Größe einer Umlaufbahn um einen zentralen Körper von Bedeutung ist. Unmittelbar nach dem Start befindet sich ein Raumfahrzeug mehr oder weniger auf der gleichen Umlaufbahn wie unser Heimatplanet um die Sonne.

Damit sie aus dieser Umlaufbahn ausbrechen und in einer möglichst kurzen und geraden Linie von der Erde zum Jupiter fliegen kann, benötigt man eine leistungsfähige Rakete und eine Menge Treibstoff. Das nächste Problem ist allerdings, dass man später noch mehr Treibstoff bräuchte, um zu bremsen und in eine Umlaufbahn um den Jupiter einzuschwenken, sodass man nicht direkt an ihm vorbeisaust.

Leeren Raum anvisieren

Jupiter und Erde bewegen sich ständig in Bezug zueinander. Wenn sie am weitesten voneinander entfernt sind - auf den gegenüberliegenden Seiten der Sonne - trennen sie 968 Millionen Kilometer voneinander. Die kürzeste Entfernung zwischen den beiden Planeten ist dann gegeben, wenn sich Erde und Jupiter auf derselben Seite der Sonne befinden und nur knapp 600 Millionen Kilometer voneinander entfernt sind. Jedoch befinden sie sich nur für einen kurzen Moment in dieser Position, bevor der Abstand wieder zunimmt.

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Die Reise von Juice
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Alle Planeten bewegen sich unterschiedlich schnell auf ihren Bahnen um die Sonne. Stellen Sie sich vor: Sie werfen von einem fahrenden Fahrzeug aus einen Ball auf ein sich bewegendes Ziel. Auf unsere Mission angewendet: Die Ingenieur*innen müssen den idealen Zeitpunkt für den Sprung von der Erdumlaufbahn zu dem Punkt berechnen, an dem sich Jupiter befinden wird, wenn die Sonde dort ankommt - und nicht zu dem Punkt, an dem er sich befindet, wenn sie die Erde verlässt.

Angenommen, wir verfügen über eine sehr leistungsfähige Trägerrakete und starten auf der kürzesten Flugbahn zum richtigen Zeitpunkt, wenn die Planeten richtig ausgerichtet sind - wie lange würde es dann dauern?

Frühe Raumfahrtmissionen wie die Voyager- und die Pioneer-Sonden schafften die Reise in weniger als zwei Jahren. Das schnellste Objekt, das jemals zum Jupiter geflogen ist, war die Mission New Horizons: New Horizons startete am 19. Januar 2006 und war dem Jupiter am 28. Februar 2007 am nächsten. Sie benötigte also nur etwas mehr als ein Jahr, um den Planeten zu erreichen. Alle diese Missionen wurden fortgesetzt und sind hervorragende Beispiele dafür, wie lange ein Vorbeiflug an Jupiter auf dem Weg zu einem anderen Ziel dauern kann.

Je länger der Aufenthalt, desto langsamer die Annäherung

Um in eine Umlaufbahn um den riesigen Planeten zu gelangen, um ihn von allen Seiten zu untersuchen und um im Laufe der Zeit vielleicht sogar einen seiner Monde zu umkreisen – ein Novum bei Juice –, muss einiges an Energie abgebaut werden. Diese „Abbremsung” erfordert eine Menge Treibstoff, damit der aufwändige Eintritt in die Umlaufbahn funktioniert. Wenn man nicht mit riesigen Treibstoffmengen starten will, wählt man also die längere „Panoramastrecke“ mit einer Transferdauer von zweieinhalb Jahren.

Hier zeigt sich, dass die Masse der Sonde ein entscheidender Faktor für die Zeit ist, die man braucht, um das Ziel zu erreichen. Die Ingenieur*innen müssen die Masse der Sonde kontrollieren, das heißt ein Gleichgewicht zwischen der Treibstoffmenge und den Instrumenten herstellen, die sie zur Erfüllung ihrer Mission an Bord haben muss. Je mehr Masse die Sonde hat, desto mehr Treibstoff muss sie mitführen, was ihr Gewicht erhöht und den Start erschwert.

Ins All! Aber mit welcher Rakete?
Ins All! Aber mit welcher Rakete?

Hier kommt die Leistung der Rakete ins Spiel. Die Sonde muss mit ausreichender Geschwindigkeit gestartet werden, um der Schwerkraft der Erde zu entfliehen und so in das äußere Sonnensystem geschleudert zu werden. Je stärker der Schub, desto leichter die Reise.

Juice ist mit knapp über 6000 Kilogramm eine der schwersten interplanetaren Sonden, die jemals gestartet wurden und verfügt über mehr wissenschaftliche Instrumente, als jemals zuvor zum Jupiter geflogen wurden. Selbst der massive Schub der Ariane-5-Schwerlastrakete reichte nicht aus, um Juice in nur ein paar Jahren direkt zum Jupiter zu schicken.

Daher müssen Missionen wie Juice und Europa Clipper (oder Galileo und Juno in der Vergangenheit) auf ein Gravitationsmanöver oder ein so genanntes Vorbeischwungmanöver zurückgreifen, um mehr Geschwindigkeit zu gewinnen. Je stärker die Rakete, desto kürzer der Transfer.

Energieaustausch mit dem Sonnensystem

Pluto zum Beispiel, der sich am Rande des Sonnensystems befindet, bewegt sich auf einer viel größeren Bahn als Merkur, der innerste Planet. Obwohl sich Pluto in Bezug auf die Sonne langsamer bewegt, ist seine Bahnenergie viel größer als die des Merkurs.

Um ein Raumfahrzeug in eine Umlaufbahn um einen anderen Planeten zu bringen, müssen wir dieselbe Bahnenergie aufbringen. Zum Zeitpunkt des Starts der ESA-Mission BepiColombo war die Bahnenergie der Raumsonde beispielsweise die gleiche wie die der Erde. Um sich dem Zentrum des Sonnensystems anzunähern, musste BepiColombo Energie abbauen, indem sie in der Nähe der Nachbarplaneten flog und so überschüssige Bahnenergie abbauen konnte.

Juice's Europa flyby
Juice's Europa flyby

Das Gleiche gilt umgekehrt für die Reise zum äußeren Sonnensystem. Um in eine größere Umlaufbahn zu gelangen, die weiter von der Sonne entfernt ist, befindet sich Juice auf einer Bahn, die es ihr ermöglicht sowohl von der Erde als auch von Venus und Mars Bahnenergie hinzuzugewinnen.

Je nach der relativen Bewegungsrichtung des Planeten und des Raumfahrzeugs kann ein Vorbeischwungmanöver die Mission also entweder beschleunigen, verlangsamen oder ihre Richtung ändern.

Juice wird eine Reihe von Vorbeiflügen an der Erde, dem Erde-Mond-System und der Venus nutzen, um den Kurs für ihr Rendezvous im Juli 2031 im Jupitersystem festzulegen.

Umlaufbahn auf Messers Schneide

Juice geht immer wieder schief: Simulationen in der ESA-Missionskontrolle stellen Betreiber auf die Probe
Juice geht immer wieder schief: Simulationen in der ESA-Missionskontrolle stellen Betreiber auf die Probe

Die größte Herausforderung für das Missionskontrollteam der ESA wird die Ankunft von Juice am Jupiter im Jahr 2031 und die Umrundung des Planetensystems sein.

Die anspruchsvolle Flugbahn von Juice umfasst mehrere Vorbeischwungmanöver auf dem Weg zum Jupiter – einschließlich des ersten Vorbeiflugs an Mond und Erde – und nach der Ankunft beeindruckende 35 Vorbeiflüge an den galileischen Monden Europa, Ganymed und Callisto. Das letzte Ziel wird Ganymed sein. Damit wird Juice die erste Sonde sein, die jemals einen anderen Mond als unseren eigenen umkreist.

Die wichtigsten Manöver, die Teams der ESA-Missionskontrolle in Deutschland managen werden, ist die Abbremsung von Juice um etwa einen Kilometer pro Sekunde lediglich 13 Stunden nach dem mithilfe von Ganymed bewirkten Vorbeischwungmanöver sowie der Eintritt in das Jupitersystem mit dem Ziel, die Sonde in eine Umlaufbahn um den Gasriesen zu bringen.

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Eintritt in die Umlaufbahn
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In eine Umlaufbahn um einen Himmelskörper zu gelangen ist alles andere als einfach. Eine Raumsonde muss sich mit der perfekten Geschwindigkeit und aus einem präzisen Winkel nähern und dann im richtigen Moment, in einer spezifischen Richtung und in der korrekten Größe ein entscheidendes, langwieriges Manöver durchführen.

Nähert sie sich zu schnell oder zu langsam, zu flach oder zu steil, oder erfolgt das Manöver zum falschen Zeitpunkt, im falschen Ausmaß oder in die falsche Richtung, könnte die Mission verloren sein. Man könnte so weit vom Kurs abkommen, dass man viel – vielleicht zu viel – Treibstoff verbrauchen würde, um die Route zu korrigieren.

Juice wird sich Jupiters Monden nähern und mit ihnen Energie austauschen, die sie seit Milliarden von Jahren gespeichert haben und so einen nie da gewesenen Einblick in diese Umgebungen erhalten. Könnte es unter den gefrorenen Ozeanen von Ganymed, Callisto oder Europa Leben geben? Was können wir über die Entstehung von Planeten und Monden im gesamten Universum lernen? In der Zukunft werden wir mehr darüber erfahren.

Folgen Sie @ESAJuiceBar auf Twitter/X für aktuelle Informationen über die Fortschritte von Juice auf dem Weg zum Jupiter, @ESAJuice für alle Neuigkeiten rund um die Mission und @esaoperations für Neuigkeiten aus der ESA-Missionskontrolle.

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