Titan, das Objekt der Begierde
Der rötlich schimmernde Titan ist mit einem Durchmesser von 5 150 Kilometer nicht nur der größte der bisher bekannten 34 Monde des Saturns. Er ist – nach dem Jupitermond Ganymed – überhaupt der zweitgrößte Mond unseres Sonnensystems, und größer als der Planet Merkur.
Mond oder Planet?
Titan verkörpert eine ausgesprochen komplexe eigene Welt. Viele seiner Eigenschaften lassen ihn wie einen Planeten des inneren Sonnensystems erscheinen.
Er besitzt als einziger Mond des Sonnensystems eine Atmosphäre. Sie besteht im Wesentlichen aus Stickstoff und Kohlenwasserstoffen, wie Methan und Ethan sowie Spuren von Wasserdampf und Ammoniak. Titans Atmosphäre dürfte in großen Teilen vergleichbar sein mit dem Zustand der irdischen Ur-Atmosphäre vor über vier Milliarden Jahre.
Die meisten seiner Geheimnisse liegen bis jetzt verborgen unter einer undurchsichtigen orange-braunen Dunstglocke, die den gesamten Planeten umgibt und den freien Blick auf seine Oberfläche verwehrt. Die Dunstglocke ist kein einheitliches Gebilde. Sie besteht aus mehreren – zwiebelartig übereinander liegenden und damit voneinander unterscheidbaren – feinen Dunstschichten, die bis in eine Höhe von 400 Kilometern reichen.
Bei dieser Dunstglocke handelt sich um photochemischen Smog, vergleichbar dem über irdischen Großstädten. Auch weitere organische Verbindungen, wie Zyanwasserstoff (Blausäure) konnten in der Atmosphäre nachgewiesen werden. Zyanwasserstoff ist hierbei ein Schlüsselstoff für mögliche lebende Organismen, vergleichbar mit denen aus der Erdurzeit. Auch die Bildung von Tholinen, das sind komplexe organische Moleküle, wird in dieser Dunstschicht für möglich gehalten.
Lebensspuren auf Titan
Könnte Huygens auf Spuren von Leben treffen? Eher nicht, meinen Planetenkundler und verweisen auf Titans eisige Verhältnisse, die bei einer Oberflächentemperatur von minus 180 Grad Celsius die Existenz von flüssigem Wasser ausschließen. Somit fehlt ein wesentlicher Baustein, der als unerlässlich für die Entstehung von Leben gesehen wird. Allerdings könnten Ereignisse, wie Meteoriteneinschläge oder Kryovulkanismus doch zumindest zeitweise flüssiges Wasser ermöglicht haben.
Nicht auszuschließen ist, dass in diesem Wasser – in Verbindung mit den möglicherweise vorhandenen komplexen organischen Verbindungen wie den Tholinen – die auf Titan ablaufenden Prozesse zu einer organisch-chemischen Ursuppe geführt haben. Damit wären wesentliche Bedingungen für die Bildung der Bausteine des Lebens gegeben. Huygens wird sicher zur Klärung dieser hochinteressanten wissenschaftlichen Fragen beitragen.
Titan, ein geologisch lebendiger Ort
Die bisher gewonnenen UV-, Infrarot- und Radaraufnahmen lassen Landmassen, Beckenstrukturen, schlängelnde Bänder, Hinweise auf Gewässer sowie eine große Methanwolke in der Atmosphäre über dem Südpol erkennen. „Wir sehen einen Ort, der – geologisch gesehen – lebendig ist“, interpretieren NASA-Forscher die jüngsten Bilder von dem aufregenden Mond.
Der Vergleich der bei den Vorbeiflügen am 26. Oktober sowie am 13. Dezember gewonnenen Infrarotaufnahmen lässt nun erstmals auch direkte Aussagen zu den Wetterverhältnissen zu. Die dichte Atmosphäre des Titan ist aus zahlreichen Schichten aufgebaut. Es gibt wechselhaftes Wetter, Windgeschwindigkeiten und eine atmosphärische Zirkulation. Wolkenfreie sowie wolkenverhangene Gebiete wechseln sich ab.
Neueste Dezember-Bilder enthüllen zudem, dass neben den bereits am Südpol festgestellten Stürmen auch in den gemäßigten mittleren Breiten unerwartete Stürme auftreten.
Methan als wetterbestimmendes Element
Aufgrund der eisigen Kälte wird Wasser keine Rolle bei den Wettererscheinungen auf Titan spielen. Anders sieht es jedoch bei Methan aus. Die Bedingungen auf dem Saturnmond erlauben es, dass Methan, wie auch Wasser auf der Erde, flüssig, fest oder gasförmig vorkommen und damit – analog zum Wasser-Wetterzyklus auf der Erde – einen Methan-Wetterzyklus auf Titan bilden kann.
Methan würde zu grünen Wolken führen, aus denen tennisballgroße Methantropfen regnen könnten. Diese würden wahrscheinlich auf ihrem Weg zur Oberfläche Titans, den sie wegen der sieben Mal geringeren Schwerkraft wie in Zeitlupe zurücklegen, verdampfen. Aber letzte Gewissheit über die Verhältnisse vor Ort wird es vermutlich erst geben, wenn Huygens am 14. Januar 2005 seinen spektakulären Sturzflug absolviert.
Huygens Landeregion
Theorien, wie die Oberfläche Titans beschaffen ist, gibt es viele. Dennoch weiß derzeit niemand, was Huygens am Ende seiner Reise tatsächlich erwartet.
Die ersten Vorbeiflüge der Raumsonde Cassini am Saturnmond Titan am 2. Juli in 339 000 Kilometer, sowie am 26. Oktober und am 13. Dezember in jeweils weniger als 1200 Kilometer Höhe über der Mondoberfläche haben mehr Fragen aufgeworfen, als beantwortet. Nach wie vor unklar ist, so Michael Khan, „in welcher Art von Gelände Huygens niedergehen wird. Die Aufnahmen haben gezeigt, dass in der möglichen Landeregion – die aufgrund der vielen Unwägbarkeiten und nicht genau vorhersagbaren Einflüsse während des Abstiegs ein sehr großes Gebiet umfasst – diverse, sehr unterschiedliche Oberflächenformationen vorkommen: hügelige, möglicherweise zerklüftete Stellen ragen dort wie Inseln aus vielleicht sogar von flüssigem Methan bedeckten Ebenen heraus.“
Selbst dann, wenn die Sonde in einem Methansee niedergehen sollte, könnte sie kurzzeitig „überleben“: Huygens ist etwa eine Minute schwimmfähig.
Obwohl Huygens nicht für eine Landung konstruiert worden ist: „Ein Aufsetzen auf der Oberfläche des Saturnmondes wäre das Sahnehäubchen“, erzählt Huygens-Spezialist Michael Khan vom Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt und drückt damit die Hoffnung der weltweiten Forschergemeinde und aller mitfiebernder Erdlinge aus.