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ROSINA-Chefwissenschaftlerin Kathrin Altwegg bei einem öffentlichen Vortrag.
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„Wir entschlüsseln entscheidende Prozesse für die Entwicklung des Lebens“

23/09/2014 1082 views 17 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Das schwerste Messgerät an Bord der Rosetta-Sonde ist das ROSINA-Experiment, geleitet wird es von der Schweizer Physikerin Kathrin Altwegg. Seit Anfang August misst es Gase in der Umgebung des Zielkometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Welche Überraschungen es dabei gab und was die Messungen mit dem Ursprung der Weltmeere zu tun haben, hat uns die Bernerin erklärt.

Frau Altwegg, Ihr Instrument scheint ja einen richtigen Fanclub zu haben?

Ja, über zu wenig Interesse der Öffentlichkeit können wir uns nicht beschweren. Vergangene Woche haben wir an der Universität in Bern die neuesten ROSINA-Resultate vorgestellt – vor über 300 Zuhörern. Unsere Veranstaltungen stoßen immer auf viel Interesse.

ROSINA steht für Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis und ist das schwerste Instrument an Bord. Was messen Sie mit diesem Gerät?

Eigentlich sind es drei Instrumente, ein Drucksensor und zwei Massenspektrometer. Alles zusammen wiegt rund 35 Kilogramm. Wir messen damit sowohl neutrale als auch elektrisch geladene Teilchen in der Gashülle des Kometen, der sogenannten Koma. Wir können also Aussagen machen, aus welchen Gasen die Koma besteht.

Wie ist der aktuelle Stand?

Seit wir uns dem Kometenkern auf etwa 200 Kilometer genähert haben, registrieren wir ihn mit ROSINA. Das war Anfang August. Der Drucksensor zeigte uns ein variierendes Signal, und zwar mit einer Periode von 12,4 Stunden. Also ebenso lange wie der Kern braucht, um einmal um sich selbst zu rotieren – ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir angekommen waren. Seitdem haben wir uns weiter genähert, momentan bis auf 30 Kilometer. Damit werden die Messungen natürlich genauer, wir sehen die erwarteten Gase, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und natürlich Wasserdampf. Auffällig ist, dass die Signale der jeweiligen Gase variieren, je nachdem, wohin auf der Kometenoberfläche unser Instrument zeigt. Der Kern ist offenbar inhomogen, das heißt, von verschiedenen Stellen seiner Oberfläche stößt er Gase unterschiedlicher Zusammensetzung aus.

ROSINA kann mit zwei verschiedenen Massenspektrometern die Gase in der Umgebung des Kometen 67P analysieren.
ROSINA kann mit zwei verschiedenen Massenspektrometern die Gase in der Umgebung des Kometen 67P analysieren.

Was hat Sie am meisten überrascht?

Dass wir so viele verschiedene Moleküle sehen können! Und das, obwohl wir noch immer fast 3,5 astronomische Einheiten von der Sonne entfernt sind, also dreieinhalb mal weiter als die durchschnittliche Distanz Erde - Sonne. Es ist deshalb noch recht kalt da draußen, und trotzdem sind unsere Spektren voll von den Signaturen der unterschiedlichsten Moleküle. Wir messen verschiedene Schwefelverbindungen, Ammoniak, Methanol und sogar schwerere organische Moleküle. Sie geben dem Kometenkern die dunkle Einfärbung, das helle Wassereis ist ja unterhalb der Oberfläche. Die Wassermoleküle, die wir in unseren Spektren registrieren, stammen von dort. Wenn sie verdampfen, reißen sie auch andere Substanzen mit ins Weltall, so kommen sie direkt in unsere Detektoren.

 

Momentan ist Rosetta zwischen der Marsbahn und der Bahn des Jupiters. Wieso können Sie ausgerechnet dort etwas über die Herkunft des irdischen Wassers herausfinden?

Kurz nach der Entstehung der Erde, also vor rund 4,5 Milliarden Jahren, war unser Heimatplanet sehr heiß. Auf der Oberfläche herrschten über 200 Grad Celsius, da konnte sich kein Wasser halten. Woher stammt also das viele Wasser, das heute Zweidrittel der Erdoberfläche bedeckt? Man weiß mittlerweile, dass es vor etwa 3,8 Milliarden Jahren viele Einschläge von kleinen Körpern auf die Erde gegeben haben muss. Das ergibt die Altersanalyse der Mondkrater. Über die Natur dieser Körper weiß man aber nur wenig. Es könnte sein, dass sie wie die Kometen wasserhaltig waren. Unsere Meere wären dann zumindest zu einem großen Teil aus dem Weltraum angeliefert worden.

Wie kann man diese Theorie testen?

Wir überprüfen dazu, wieviel Schwerer Wasserstoff, sogenannes Deuterium, im Wasser der Kometen und im irdischen Wasser vorhanden ist. Stimmen diese Werte gut überein, hätten wir ein starkes Indiz für eine kometare Herkunft unseres Wassers.

Aber ESA's Giotto-Sonde hat doch schon 1986 gezeigt, dass die Wassermoleküle des Kometen Halley zu viel Deuterium enthalten. Wie passt das zusammen?
Stimmt. Auch bei anderen Kometen aus der Oortschen Wolke passt das Verhältnis von Deuterium zu regulärem Wasserstoff schlecht zu dem Vergleichswert bei unserem Wasser. Aber dann kamen 2011 die Messungen des Herschel-Weltraumteleskops der ESA. Sie zeigten, dass bei einem Vertreter einer anderen Kometengruppe ein passender Deuteriumgehalt gemessen wurde. Eine Schwalbe macht jedoch noch keinen Sommer, wir brauchen also ein weiteres Exemplar zur Bestätigung. Dann könnte man von einer Population von Kometen ausgehen, welche die heutigen Meere einst zur Erde brachten. Hier kommt ROSINA ins Spiel. Mit unseren Messungen können wir also Prozesse entschlüsseln, die in der Frühzeit des Sonnensystem für die Entwicklung des irdischen Lebens entscheidend waren.

Spannen Sie uns nicht auf die Folter, was haben Sie herausgefunden?

Soviel kann ich jetzt schon verraten: Die Deuterium-Messungen waren erfolgreich, sie werden bald publiziert. Bleiben Sie dran!

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