ThermoLab: Temperatur-Check auf der ISS
Seit 2009 untersuchen Wissenschaftler mit dem ThermoLab-Experiment, inwieweit sich die innere Uhr und der Wärmehaushalt des Menschen bei Langzeitaufenthalten im All verändern. Dazu beobachten sie die Körperkerntemperatur mit einem neuen, nichtinvasiven Messverfahren. An dem Experiment nehmen insgesamt 12 Langzeitastronauten teil.
Die Körperkerntemperatur, d.h. die Temperatur der inneren Organe, die der Körper konstant zu halten sucht, ist ein wichtiger Frühindikator für physiologische Veränderungen beim Menschen. Sie kann beispielsweise Aufschluss über Erschöpfungszustände geben.
Neuartiger Thermosensor
Bislang konnte die Körperkerntemperatur allerdings nur direkt im Körper gemessen werden, beispielsweise im Rektum. Zur Überwachung von Menschen im Arbeitseinsatz – beispielsweise auf der ISS – war also ein innovatives Messverfahren von Nöten. Deshalb entwickelte eine Arbeitsgruppe um den Physiologen Prof. Hanns-Christian Gunga vom Zentrum für Weltraummedizin der Berliner Charité einen neuartigen Doppelsensor, der das Herzstück des ThermoLab-Experiments auf der ISS bildet. Dieser wird an Kopf und Brustbein angebracht und misst die Hauttemperatur sowie den Wärmefluss unter der Haut. Ausgefeilte Algorithmen errechnen dann die Körperkerntemperatur.
ThermoLab auf der ISS
Das aus dem Doppelsensor und einer etwa iPod-großen Kontrolleinheit zur Datenaufnahme bestehende ThermoLab-System musste zunächst in intensiven Praxistests, in Bettruhestudien und auf Parabelflügen seine Tauglichkeit beweisen, bevor es im Februar 2009 zur ISS startete. Im Oktober 2009 nahm dann ISS-Kommandant Frank de Winne als erster ESA-Langzeitastronaut am ThermoLab-Experiment teil.
Die Versuchsteilnehmer trainieren alle 30 Tage jeweils 15 bis 20 Minuten lang auf einem Fahrrad-Ergometer. Dabei werden Körpertemperatur und Temperaturverläufe mit ThermoLab gemessen und aufgezeichnet. Zur Erhebung von Vergleichsdaten erfolgen entsprechende Messungen auch auf der Erde, sowohl vor dem Start als auch nach der Rückkehr der teilnehmenden Astronauten. Die Weltraummediziner um Gunga wollen so herausfinden, wie sich die Körperkerntemperatur unter Belastung in der Schwerelosigkeit verändert.
Nach den bislang vorliegenden Daten steigt die Körperkerntemperatur unter Belastung auf der ISS offenbar schneller an als auf der Erde. Dies hängt höchstwahrscheinlich damit zusammen, dass sich durch die schwerelosigkeitsbedingte Flüssigkeitsverschiebung im Körper auch der Wärmefluss verändert. Auch mangelnde Kühlung des Körpers durch fehlende Luftströmungen kann eine Rolle spielen.
Vergleichsdaten durch Mars500
2010/2011 kam ThermoLab zudem bei der 520-tägigen Moskauer Isolationsstudie Mars500 zum Einsatz, an der auch die ESA beteiligt war. Ziel war, anhand der Temperaturverläufe festzustellen, inwieweit sich die innere Uhr der sechs Probanden im Mars500-Container durch Stress, Isolation, Beengtheit und veränderte Lichtverhältnisse verstellt. Aufgrund der diesbezüglich analogen Situation auf einer Raumstation lieferte die Mars500-Studie zugleich Vergleichsdaten für das ISS-Experiment. Nach ersten Ergebnissen sank die Körperkerntemperatur während der anderthalbjährigen Isolation im Schnitt um 0,4 Grad Celsius. Zudem verschoben sich die Temperaturminima und -maxima. Das bedeutet: die innere Uhr hat sich verstellt.
Großes „irdisches“ Potenzial
Nicht nur im All, sondern auch auf der Erde wird eine benutzerfreundliche nichtinvasive Technologie zur Messung der Körperkerntemperatur dringend benötigt. So wurde der Einsatz des Doppelsensors beispielsweise zur Beobachtung von Patienten bei schweren Herzoperationen und von Jetpiloten der Bundeswehr erprobt. Auch in der Arbeitsmedizin und im Bereich Arbeitnehmerschutz ist die Technologie breit einsetzbar, u.a. zur Früherkennung von Erschöpfung und Überhitzung bei Feuerwehrleuten, Bergleuten, Stahlarbeitern, Soldaten im Kampfeinsatz, Tauchern, Bergsteigern, Polarforschern, Hochseefischern und anderen, die unter extremen Bedingungen arbeiten.
Weitere Informationen:
CHARITÉ-UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
Prof. Dr. Hanns-Christian Gunga
Institut für Physiologie, Campus Benjamin Franklin
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